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Geld von Pharmakonzernen: Warum Ärzte schweigen

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Ärzte-Umfrage: "Man kann mich mieten, aber nicht kaufen" Fotos

Julia Cramer

Gut zwei Drittel der Ärzte wollen nicht offenlegen, wie viel Geld sie von der Pharmaindustrie bekommen. Was sind die Gründe für ihr Schweigen?

 

Gut 71.000 Mediziner und Fachkreisangehörige haben im Jahr 2015 Zahlen von Pharmaunternehmen erhalten. Offenlegen wollten dies im Rahmen des Transparenzkodex nur rund 20.000 von ihnen. Mehr als zwei Drittel der Mediziner wollen also nicht preisgeben, dass sie Geld von der Pharmaindustrie bekommen.

 

Wir haben Ärzte gefunden, die nachweislich Geld von Pharmaindustrie erhalten haben - sich aber weigerten, diese Daten veröffentlichen zu lassen. Was sind die Gründe für ihr Schweigen? Eine Umfrage unter Top-Ärzten:

"Man kann mich mieten, aber nicht kaufen"

Kai Zacharowski ist Klinik-Direktor für Anästhesiologie an der Uni Frankfurt und hat sich ausdrücklich gegen die Veröffentlichung seiner Daten entschieden. Weil sie erstens Privatsache seien. Und weil er zweitens gegenüber Kollegen mögliche Interessenkonflikte stets offenlege - bei der Publikation von Fachartikeln. Das ist in der Medizin inzwischen üblich.

So  steht im "Deutschen Ärzteblatt" unter einem Artikel von ihm: "Prof. Zacharowski erhielt Honorare für Beratertätigkeiten von Vifor Pharma. Ihm wurden Teilnahmegebühren für Fortbildungsveranstaltungen und Reisekosten erstattet und er erhielt Honorare für die Vorbereitung von wissenschaftlichen Fortbildungsveranstaltungen von B. Braun, CSL Behring, Fresenius KABI und Vifor Pharma."

Eine ansehnliche Liste - ohne genaue Summen. Sind es einige Hundert oder mehrere Tausend Euro? Das macht einen großen Unterschied.

In der neuen Datenbank über die Zahlungen der Pharmaindustrie an Ärzte und Fachkreisangehörige sucht man Zacharowskis Namen aber vergebens. Auf die Frage, ob die Pharma-Zahlungen Ärzte beeinflussen, antwortet er: "Man kann mich mieten, aber nicht kaufen." Bei Produkten, von denen er nicht überzeugt sei, würde er sich auch nicht mit Geld umstimmen lassen.

"Wir leben in einer Neidgesellschaft"

Auch Adrian Gillissen, Direktor für Lungenheilkunde am Klinikum Kassel, hat sich gegen eine Preisgabe seiner Daten entschieden. Er taucht nicht in der Datenbank auf, obwohl er Pharmagelder bekommen hat. "Wir leben in Deutschland in einer Neidgesellschaft", sagt er. "Stellen Sie sich vor, Nachbarn, mit denen ich gerade im Streit liege, bekommen diese Informationen. Oder Journalisten, die uns Ärzten gegenüber kritisch gesinnt sind. Oder die geschiedene Ehefrau." Nein, das will er nicht.

Er hat grundsätzlich Zweifel an der aktuellen Transparenzinitiative. "Ich finde diesen Kodex ungerecht, da er nur Mediziner und die Pharmaindustrie betrifft." Wenn Offenlegung, dann quer durch alle Branchen.

Gillissen hat -  so steht es im "Deutschen Ärzteblatt" - Zahlungen der Firmen Chiesi, Teva, Elpen, AstraZeneca, Boehringer Ingelheim und Berlin-Chemie bekommen.

"Es hat einfach einen Beigeschmack"

Martin Fassnacht ist leitender Internist an der Uniklinik Würzburg. "Ich finde maximale Transparenz wünschenswert", sagt er. Aber die Transparenzinitiative habe einen gravierenden Mangel: Sie sei nicht bindend für alle Ärzte. "Ich finde es merkwürdig, dass man die Veröffentlichung seiner Daten ablehnen kann", sagt er; er wisse, dass viele Kollegen genau dies empfohlen hätten. Fassnacht ist dafür, ein Gesetz zu verabschieden, das zur Offenlegung verpflichtet. Wenn Transparenz, dann für alle.

Im "Deutschen Ärzteblatt"  steht: "Prof. Fassnacht erhielt Honorare für eine Beratertätigkeit von Bayer, Eisai, AstraZeneca und SOBI und für einen Vortrag von Eisai. Für die Durchführung einer klinischen Studie erhielt er Gelder von Bayer auf ein Drittmittelkonto."

Fassnacht ärgert, dass die Zahlungen - sie betreffen einen Zeitraum von fünf Jahren - immer noch in Verbindung mit seinem Namen stehen. Denn längst habe er Konsequenzen gezogen. "Ich habe festgestellt, dass mich Zahlungen durch einzelne Firmen bei meiner wissenschaftlichen Arbeit behindern", sagt er. Es habe einfach einen Beigeschmack, wenn unter einer noch so hervorragenden Studie stehe, dass der Kollege von diesen und jenen Firmen bezahlt wurde. Er selbst habe darum sämtliche vergüteten Beratertätigkeiten für Produkte und Themen eingestellt, zu denen er wissenschaftlich arbeite.

"Eine entscheidende Information fehlt"

"Ich finde Transparenz richtig und okay", sagt Jan Wehkamp, Professor für Innere Medizin an der Uniklinik Tübingen. Aber die jetzige Transparenzinitiative würde nicht weiterhelfen. Weil in der Öffentlichkeit leicht ein falscher Eindruck entstehen könne. Denn eine entscheidende Information fehle bei der Veröffentlichung: Welche Leistung für die Zahlungen erbracht wurde.

Also entschied auch Wehkamp, die Auskunft über seine Zusatzeinnahmen zu verweigern. "Im Zweifelsfall gebe ich keine Daten preis, wenn ich nicht weiß, was damit passiert."

Laut dem "Deutschen Ärzteblatt" erhielt er "Honorare für Beratertätigkeiten von MSD, Takeda, Novartis, Shire, Abbvie und Ardeypharm".

"Meine Verflechtungen sind vielfältig"

Tobias Welte, Chefarzt für Lungenheilkunde an der Uni Hannover, erhielt Honorare für Beratertätigkeit von Astellas, AstraZeneca, Basilea, Bayer, MSD, Novartis und Pfizer. So kann man es wiederum im "Deutschen Ärzteblatt" nachlesen.

"Prinzipiell finde ich Transparenz richtig und gut", sagt auch Welte. Im besonderen Fall lehne er sie ab. "Meine Verflechtungen haben ganz verschiedene Hintergründe, die leider dem Leser der Daten nur schwer vermittelbar sind", sagt er. Jemand, der medizinische Forschung nicht im Detail verstehe, könne die Beträge nicht seriös zuordnen.

Zu viel Transparenz könne sogar schaden, glaubt Welte: Weil das Vertrauensverhältnis zu seinen Patienten darunter leiden könne.

"Die Daten sind missverständlich"

Das sieht auch Ulrich Laufs so. "Ich bin extrem akribisch und halte Transparenz für extrem wichtig", sagt der Leitende Oberarzt für Innere Medizin am Uniklinikum Saarland. So auch bei seinen Angaben  im "Ärzteblatt": "Prof. Laufs erhielt Berater- und/oder Vortragshonorare, Studienunterstützung (Drittmittel), Reisekosten- oder Kongressgebührenerstattung von ABDA, AkdÄ, Amgen, AstraZeneca, Bayer, Berlin-Chemie, BNK, Boehringer-Ingelheim, DACH, Daiichi-Sankyo, i-cor, Lilly, Medtronik, MSD, Pfizer, Roche, Sanofi, Servier, Synlab, UdS und UKS."

Er bemängelt ebenfalls, dass er bei der jetzigen Transparenzinitiative keine Kontrolle über seine Daten habe. "Da kann man nur Ja oder Nein ankreuzen." Die Gefahr sei groß, dass die Öffentlichkeit diese Zahlen missverstehe - weil nicht offengelegt werde, welche Arbeit er dafür geleistet habe.

"Keinen Cent mehr von Pharmafirmen"

Rund 70.000 deutsche Ärzte bekommen Geld von großen Pharmaunternehmen - Zehntausende andere Ärzte nehmen kein Geld an. Unter ihnen: Tom Bschor, Chefarzt für Psychiatrie an der Berliner Schlosspark-Klinik.

Jahrelang hat er auf Pharmakongressen gesprochen, bis zu 15-mal im Jahr. "Es ist sehr gut bezahlt, es macht Spaß, man kommt rum", sagt Bschor. Mehrere Tausend Euro pro Vortrag sind in der Branche nicht unüblich.

 

Doch je länger er sich mit Psychopharmaka beschäftigt habe, desto skeptischer gegenüber diesen Arzneien sei er geworden. Einerseits. Auf den bezahlten Vorträgen habe er sich andererseits kaum getraut, Kritik zu äußern. "Man weiß ja, dass immer ein Vertreter der Firma drinsitzt. Und möchte wieder beauftragt und von einer dunklen Limousine abgeholt werden."

Ärzte sind zu Fortbildungen verpflichtet, das Problem: Ein Großteil der Veranstaltungen ist mittlerweile von der Industrie finanziert. Die Vortragenden erhalten üppige Honorare, die Teilnehmer werden umsonst in Luxushotels untergebracht. Damit, so Bschor, kauften sich die Unternehmen eine emotionale Bindung der Ärzte.

Die Konsequenz war für ihn klar: Keinen Cent mehr von Pharmafirmen. "Ich habe entschieden, meine finanziellen Beziehungen zu den Unternehmen einzustellen, um meine Unabhängigkeit zu bewahren", sagt Bschor. Und fügt hinzu: Auch damals, als er noch Geld angenommen habe, sei er sich unabhängig vorgekommen. "Heute glaube ich, das stimmt nicht." Und er vermutet: "Das geht allen so."

 

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